Konzept
Was bedeuten Rituale heute für unsere Gesellschaft und wie gehen Künstlerinnen damit um? Welche der transzendentalen Elemente und Eigenschaften dieses archaischen Phänomens haben heute einen Wert und wie können wir sie reflektieren um sie als Individuum und Gesellschaft zu nutzen? Kunst ist immer in der Lage gewesen, mit Erfahrungen von hohem ästhetischen Wert zu reagieren – so auch angesichts aktueller Herausforderungen, denen sich die heutige Gesellschaft gegenübersieht wie der permanenten Bombardierung durch Bildern, der Abhängigkeit von sozialen Netzwerken oder der Kultur des Egos. Unsere Antwort besteht darin, ein transformatives musikalisch-theatralisches Erlebnis auf hohem Niveau zu bieten und das die von einem Großteil der Gesellschaft oft vergessenen a priori Werte wie sorgfältiges Zuhören, langsame Zeit, Stille, Geduld, Inaktivität usw. zu thematisieren.
Die zentralen Figuren dieses Projektes sind der italienische Komponist Giacinto Scelsi (1905-1988), der österreichische Komponist und Klangkünstler Peter Ablinger (1959) und die Komponistin und Pianistin Sandra Lanuza (1993). Das Programm besteht aus einer Auswahl komponierter Werke, Improvisationen und Arrangements einiger der Stücke für Barockinstrumente Scelsis sowie aus einer ambitionierten Performance (Uraufführung) Peter Ablingers für Barockinstrumente und Performer.
Der Komponist Peter Ablinger reagiert in seinem neuen Werk auf die oben genannten Konzepte von Ritual, Zeit und Zeremonie: Er konzipiert eine lange rituelle Aufführung, bei der das Publikum an der Performance der Musikerinnen und Interpreten partizipiert. Sie tun dies, indem sie auf einer vibrierenden Plattform liegen, die speziell für die Aufführung gebaut wird, bei der die Körper des Publikums auch durch tiefe Frequenzen vibrieren. Um ein kohärentes, detailliertes und reichhaltiges Erlebnis zu erzeugen, werden zwei Performer als Bindeglied zwischen Publikum, alten Instrumenten und Elektronik agieren und die Dramaturgie des Stücks noch körperlicher werden lassen.
Die Komponistin Sandra Lanuza schafft in ihrem Stück einen immersiven Klang, der sich auf Scelsis “Quattro Pezzi” bezieht. Dies interagiert mit der live Elektronik und artikuliert sich in langen Zeitperioden, die eine Art „Trance-Zustand“ in der Wahrnehmung der Zuhörer wirkt.
Auf der Basis von Scelsis, Ablingers und Lanuzas Kompositionen schlagen wir eine ästhetische Erfahrung vor, die versucht, die primitive und rituelle Natur der Musik vor dem Hintergrund unserer schnelllebigen Kultur des Egos zu reflektieren. Durch unseren Schöpfungsprozess versuchen wir, sowohl die Tradition als auch die Gegenwart des Menschen besser zu verstehen und ein Fragezeichen bezüglich seiner Zukunft aufzuwerfen.
Alberto Arroyo
Programm
- Perotin le Grand: Viderunt omnes I
(arr. Blockflöte, Barockvioline, Gambe und Elektronik) - Giacinto Scelsi: Quays
(arr. für Blockflöte) - Improvisation über eine einzige Note
(Blockflöte, Barockvioline, Gambe und Elektronik) - Perotin le Grand: Viderunt omnes II
- Sandra Lanuza: Cada 30 seg., deutsche Premiere
(Barockvioline, Gambe und Elektronik) - Peter Ablinger: Wir alle haben es gesehen. Viderunt omnes
(Ritual für barockes Trio, 3 Performer, Stereo Zuspiel, Feedback, Ultraschall und Infrabetten)
Musiker
Blockflöte: Moisés Maroto
Barockgeige: Adrián Pineda
Gambe: Calia Álvarez
Elektronik: Sandra Lanuza
Performer: theatrale subversion
Michael Neil McCrae
Romy Weyrauch
Künstlerischer Leiter: Alberto Arroyo